de | en

Mammutprojekt Lake Powell und Glen Canyon Dam

Superlative − Unser nächstes Ziel ist der Glen Canyon Dam. Im Carl B. Hayden Visitor Center merken wir, dass das Unterwegssein in der Nebensaison nicht nur Vorteile bietet. Die letzte Führung an diesem Tag hat bereits begonnen. Uns bleiben daher nur der Ausblicke durch die grossen Panoramafenster des Visitor Centers und von der Aussichtsplattform aus. Dank den interessanten Informationstafeln erfahren wir trotzdem einiges über die Entstehung und die technischen Daten des riesigen Bauwerks. Zweck der Staumauer ist die Wasserspeicherung für die trockenen Staaten des amerikanischen Südwestens. Gleichzeitig wird Elektrizität für mehrere Staaten erzeugt. Nach eingehendem Studium der Region, um die am besten geeignete Stelle für den Bau der Mauer zu bestimmen (fester Untergrund, steiler Canyon, der viel Wasser aufnehmen kann, Vorkommen von Sand und Stein zur Herstellung von Beton etc.), begann man im Oktober 1956 mit den Bauarbeiten. Zuerst sprengte man auf beiden Seiten der Schlucht Tunnels in den Felsen, durch welche man den Colorado River umleitete, um das Flussbett im Bereich der Baustelle trockenzulegen. Um den Baufahrzeugen den Umweg von 200 Meilen zu ersparen, welcher nötig wäre, um von einer Seite des Canyons auf die andere zu gelangen, baute man in unmittelbarer Nähe eine Bogenbrücke aus Stahl, die Glen Canyon Bridge. Schliesslich war man im Juni 1960 soweit, um mit den eigentlichen Betonierarbeiten der Staumauer zu beginnen. Der Baubetrieb lief 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche ununterbrochen. Für die Bauarbeiter und ihre Familien errichtete man während dieser Zeit ein Camp, aus welchem sich später die Stadt Page entwickelte. Im September 1963 wurde der Damm fertiggestellt. Noch im selben Jahr begann man den Fluss zu stauen und installierte gleichzeitig die Turbinen und Generatoren zur Stromerzeugung. 1966 konnte schliesslich die gesamte Anlage in Betrieb genommen werden. Bis der Stausee (Lake Powell) allerdings komplett gefüllt war dauerte es nochmals über zehn Jahre (bis 1980).

Bei maximaler Stauhöhe hat der See eine Länge von rund 300 km, ist am Damm 171 m tief und bedeckt eine Fläche von 658 km², was einem Wasservolumen von ca. 33,3 km³ entspricht. Damit ist er nach dem Lake Mead bei Las Vegas der zweitgrösste Stausee der USA. Die Küstenlinie des Sees ist mit 3’150 km länger als die gesamte Westküste der USA. Benannt ist der See nach John Wesley Powell, der 1869 mit acht weiteren Männern den Colorado River und dabei auch den Glen Canyon erforschte.

Die Staumauer des Glen Canyon Dam ist 216 Meter hoch, oben 475 Meter lang und 7,6 Meter breit. Am untersten Konstruktionspunkt erreicht sie eine Breite von 91 Metern. Um dieses gigantische Werk zu realisieren, brauchte es Unmengen von Beton, der aus lokalem Stein und Sand angemischt wurde. Die Baukosten betrugen 187 Millionen US-Dollar, was durch den Verkauf des erzeugten Stroms aber schon längst wieder eingenomen wurde.

Der Lake Powell und seine Umgebung wurden 1972 zur Glen Canyon National Recreation Area ernannt. Das riesige Gebiet grenzt im Nordosten an den Canyonlands National Park und im Süden an den Grand Canyon National Park. Über zwei Millionen Besucher pro Jahr profitieren von den unzähligen Freizeitangeboten und dem sonnigen und trockenen Klima. Beliebt sind vor allem jegliche Wassersportarten, Hausbootferien und Wanderungen.

 

Die Schattenseiten − Der Bau des Glen Canyons brachte aber auch Probleme mit sich. Früher gab es im Frühling regelmässig Überflutungen, welche viel Gestein und Sand in den Flussabschnitt unterhalb des heutigen Dammes, in den Grand Canyon, spülten. Das Hochwasser erneuerte Sandbänke entlang des Flusses und bot einheimischen Pflanzen ideale Lebensräume. Seit das Wasser im Lake Powell zurückgehalten wird, ist es vorbei mit den natürlichen Überflutungen und dem dadurch ausbalancierten Ökosystem. Kommt dazu, dass der Colorado River seine Sedimente nun auf dem Grund des Sees ablagert. Dadurch hat das Wasser des Lake Powells im Gegensatz zu dem ihn speisenden Colorado River (rötlich und schlammig) zwar eine schöne, blaue Farbe, bringt aber beim Weiterfluss in den Grand Canyon kein Material zu Bildung neuer Sandbänke mit. Fremde Pflanzen können sich auf den stabileren (keine Überflutungen und Verwaschungen), dafür kleiner werdenden (keine neue Ablagerungen wegen fehlenden Sedimenten) Sandbänken besser ausbreiten und vertreiben die einheimischen, teils bedrohten Arten. Gleiches gilt bei den Fischen. Die früher durch Sandbänke geschaffenen Stauwasserbereiche, welche seltenen Fischarten einen Lebensraum bieten, trocknen allmählich aus. Dafür konnte man im klaren Wasser des Lake Powell Barsche und im Colorado River unterhalb des Dammes Regenbogenforellen ausgesetzt werden, was zumindest die Fischer freuen dürfte. Ein weiteres Problem bildet die reduzierte Fliessgeschwindigkeit. Grössere Geröllbrocken werden vom Wasser nicht mehr mitgenommen, sondern lagern sich seitlich und in den Einmündungen von Nebenflüssen ab. Der Colorado River wird dadurch immer mehr eingeengt. Um diesen negativen Entwicklungen entgegenzuwirken, werden seit einigen Jahren künstliche, mehrtägige Flutungen durchgeführt. Dazu werden alle acht Druckröhren, welche die Turbinen antreiben und vier weitere Röhren, die bei einem Wasserhochstand zur Entlastung eingesetzt werden könnten, geöffnet. Man hofft, so den natürlichen Kreislauf aufrechtzuerhalten.

Damit die künstlichen Flutungen auch in Zukunft durchführbar sind, ist der Lake Powell in nächster Zukunft allerdings auf Wassernachschub angewiesen. Die letzten Jahre waren sehr trocken und auch der Schneefall in den Bergen des Staates Colorado, wo der Colorado River entspringt, blieb unter den Erwartungen. Inzwischen ist der Wasserspiegel im Lake Powell um mehrere Meter gesunken und das Wasservolumen um über die Hälfte reduziert. Das hat Auswirkungen auf die Stromerzeugung. Das Wasser kommt mit weniger Druck in die Turbinen und entsprechend weniger kraftvoll treiben diese die Generatoren an. Ein engagierter Ranger erklärt uns all dies anhand einer 3D Karte des Lake Powells. Er meint, dass die Lage langsam prekär werde, denn wie bei einer Badewanne wird die Wasserfläche unten immer kleiner, wodurch die Senkung des Wasserspiegels immer schneller vonstatten geht. Man kann nur hoffen, dass es bald kräftig regnet oder es in Colorado einen schneereichen Winter gibt. Denn heute sind über 20 Millionen Leute auf das Wasser aus dem Lake Powell angewiesen und etwa 1,7 Millionen Leute beziehen den hier produzierten Strom!

Wir passen − Der Ranger hilft uns auch weiter, als wir ihn nach dem Weg zum Alstrom Point fragen. Von dort aus soll man eine tolle Sicht auf die Buttes und Mesas des Glen Canyons und den Lake Powell haben. Der Ranger empfiehlt uns zudem eine mehrtägige Wanderung zur Rainbow Bridge. Der bekannte Felsbogen ist zwar auch per Boot erreichbar (jedenfalls bis dort, wohin das Wasser heute noch reicht), was aber längst nicht so abenteuerlich ist wie zu Fuss. Da es keinen offiziellen Trail gibt, ist man nebst guter körperlicher Verfassung auch auf einen guten Orientierungssinn angewiesen. Die Schilderungen des Rangers, was uns auf dem Weg erwarten würde, tönen zwar interessant und verlockend aber ohne Vorbereitung und zur jetzigen Jahreszeit, wo nachts (und manchmal auch am Tag) Temperaturen um den Gefrierpunkt herrschen, müssen wir passen. Abschreckend wirken auch die umfangreichen organisatorischen Faktoren, die vor der Wanderung beachtet werden müssen. Zuerst muss man ein Permit beantragen, um Navajo Land betreten zu dürfen. Danach muss man den Trip auf den Bootsfahrplan abstimmen, damit man den Rückweg per Schiff zurücklegen kann. Das wiederum setzt voraus, dass man sich entweder am Anfang zum Trailhead fahren lässt oder umgekehrt am Schluss eine Mitfahrgelegenheit dorthin zurück organisiert, um das eigene Auto abzuholen. Hierbei, so sagt der Ranger, gehe man allerdings gewisse Risiken ein. Ein auf Navajo Land zurückgelassenes Auto werde auch schon mal ausgeräumt. And last but not least findet der Schiffsverkehr zur Rainbowbridge im Winter nur statt, wenn genügend Tickets verkauft wurden. Wenn es dumm geht, sitzt man nach Erreichen des Ziels eine Weile beim Felsbogen fest.

 

Rauchzeichen über Page − So, für heute haben wir genug Neues erfahren und gelernt. Wir wollen das Ende des Tages draussen geniessen und einen schönen Platz am Lake Powell suchen, um ein paar Aufnahmen der Abendstimmung einzufangen. Das stellt sich allerdings als schwierig heraus. Praktisch überall hat man die drei Kamine der Navajo Generating Station mit im Blickfeld. Die Navajo Generating Station ist ein kohlebetriebenes Elektrizitätswerk und schadet der Umwelt wahrscheinlich noch mehr als der Glen Canyon Dam. Die gelblich aufsteigenden Rauchsäulen lassen jedenfalls nichts Gutes verheissen.

 

«Än Guetä» − Zurück in Page begeben wir uns in einen Waschsalon, wo wir einen Stromanschluss kappen, um unsere Bilder auf den Computer zu laden. Anschliessend gönnen wir uns wieder einmal den Luxus auswärts zu essen. Bei dieser Kälte macht es keinen Spass draussen zu kochen und tagelang von Brot und Schokolade zu leben, ist auch keine gute Alternative. Leider hat das Restaurant, das wir aufsuchen wollten, geschlossen. Wir begeben uns darum in ein italienisches Buffet gleich nebenan. Da wir etwas spät dran sind, ist das Buffet schon halb leergeräumt. Wir finden aber immer noch genug Schmackhaftes um die Bäuche richtig voll zu schlagen.